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FLY ME TO THE MOON

Das Jahrhundertereignis zum Miterleben: vom Start über die dramatische Landung bis hin zur geplanten Rückkehr zum Mond im Jahr 2024

DIE VISION

Wie kommt man von der Erde zum Mond? Ganz einfach, so denken sich die alten Haudegen beim Kanonenklub Baltimore, die sich nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs gewaltig langweilen: Wir setzen uns in eine hohle Granate, packen einen Haufen Schießbaumwolle in ein Geschütz von 270 Meter Länge und - rums - schon sind wir da. Dieses Szenario stammt aus dem Roman »Von der Erde zum Mond« des französischen Science-Fiction-Autors Jules Verne aus dem Jahr 1865.


Szene aus dem Film »Die Reise zum Mond« von 1902

Die Risiken und Nebenwirkungen des fiktiven Plans wären erheblich gewesen, weder Abschuss noch Landung besonders bekömmlich für den menschlichen Körper: Don't try this at home. Elon Musk, der charismatische Chef der Raketenfirma SpaceX, spinnt dieses Szenario augenzwinkernd fort, wenn er schwadroniert: »Ich würde gern auf dem Mars sterben, aber nicht schon beim Aufprall.«


Einige Details des über 150 Jahre alten Romans wirken dabei fast hellsichtig: Die Mondkanone verortet Jules Verne im US-Staat Florida. Tatsächlich entstehen dort an der »Space Coast« am Cape Canaveral knapp einhundert Jahre später die Startrampen für die Mondlandungen. Ein Grund: Florida befindet sich relativ nah am Äquator, wo sich die Erdoberfläche besonders schnell um die Erdachse dreht und so Raketen einen zusätzlichen »Schubs« mitgibt.

»WEIL ES SCHWIERIG IST«

»We choose to go to the moon ... not because they are easy, but because they are hard«, sagte der junge US-Präsident John F. Kennedy in einer berühmten Rede, was sinngemäß so viel heißt wie: Wir fliegen nicht zum Mond, weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist.


Er stand politisch unter Druck. Die Invasion Kubas in der Schweinebucht war blutig gescheitert, es schwelte eine Rezession, und die Sowjetunion demütigte die USA Jahre nach dem Sputnik-Schock von 1957 wieder und wieder mit neuen kosmischen Erfolgen, unter anderem am 12. April 1961 mit dem ersten Raumflug von Juri Gagarin. Im Mai 1961 plädierte Kennedy im US-Kongress für die Mondlandung.


Wie schwierig es sein würde, das zeigte sich erst nach und nach. Zu diesem Zeitpunkt gab es so gut wie gar nichts, außer ein paar inspirierende Worte: weder geeignete Raumanzüge noch ein taugliches Navigationssystem, weder transportable Computer noch ausreichend große Raketen. Und noch ein kleines Detail fehlte: ein Plan, wie man einen Menschen heil auf den Mond bekommen könnte. Und wieder nach Hause.


Künstlerische Darstellung von Raumschiffen im Orbit von Chesley Bonestell, um 1950

Vor allem zwei Visionen traten dabei gegeneinander an. Der deutsche Raketeningenieur Wernher von Braun, der in Peenemünde für die Nazis »Vergeltungswaffen« gebaut hatte und nach dem Krieg beim US-Militär weiterentwickelte, war unter anderem für einen »Direktflug«: Eine riesige Rakete startet auf der Erde, fliegt zum Mond, bremst dort ab, landet, startet erneut und fliegt zurück zur Erde. In anderen Szenarien favorisierte er eine Station in der Erdumlaufbahn als eine Art fliegende Fabrik und Startrampe für einen Flug zum Mond.


Wie unpraktisch, sagte dagegen der Flugzeugingenieur John C. Houbolt: Ein einzelnes Raumschiff, das auf dem Mond landet und von dort wieder startet, müsste gigantisch sein, und es wäre ineffizient, denn es müsste riesige Mengen Treibstoff zum Mond transportieren, um von dort aus einen zweiten Start hinzulegen.


Der weithin unbekannt gebliebene Flugzeugingenieur John C. Houbolt erläutert sein Konzept der Mondlandung.

Houbolt setzte dem Direktflug ein eleganteres Konzept dagegen: das Mond-Rendezvous (»Lunar Orbit Rendezvous«, LOR). Das Raumschiff wird dabei in spezialisierte Einzelsegmente zerlegt, die sich wie Legosteinchen funktional aneinanderfügen: Ein Kommandomodul umkreist den Mond, während ein kleines Landemodul die Astronauten absetzt und wieder hochträgt. Dann reisen sie mit dem Kommandomodul wieder zurück zur Erde. Diese Segmentierung spart viel Treibstoff. Das Problem dabei: Die Module müssen im All zentimetergenau steuerbar sein, damit ihr Rendezvous gelingt. Mehr als zwei Jahre kämpfte Houbolt gegen erbitterte Widerstände. Heute gilt das Prinzip seines Mond-Rendezvous als Standardmethode. Er selbst jedoch blieb in der Öffentlichkeit fast unbekannt.


Das Rennen zum Mond ist in vollem Gange. Fieberhaft lässt die Nasa ein Kommandomodul, ein Landemodul, eine starke Trägerrakete und eine präzise Navigationstechnik entwickeln, vor allem in den ersten Jahren bis 1966 sind die Kosten für Forschung und Entwicklung gigantisch. Das »Apollo«-Projekt beschäftigt insgesamt rund 400.000 Menschen in über 20.000 Firmen. Dabei wird, inflationsbereinigt, rund viermal so viel Geld wie für den Bau der ersten Atombombe verfeuert.






John F. Kennedy im September 1962
bei einer Rede an der
Rice University in Houston
John F. Kennedy
im September 1962 bei
einer Rede an der
Rice University in Houston
DAS JAHRHUNDERT-MANÖVER

Endlich ist es soweit: der Start am 16. Juli 1969. Die »Saturn V«-Trägerrakete ist ein Monstrum, denn immerhin soll sie drei Astronauten von der Erde auf den Mond schleudern. Der Gesamtaufbau der »Apollo«-Rakete mit ihren 111 Metern würde einen Wolkenkratzer mit 30 Stockwerken locker überragen, und natürlich auch die Freiheitsstatue, die vom Erdboden bis zur Fackel nur mickrige 95 Meter misst. Vollbetankt mit hochexplosivem Treibstoff beträgt das Gewicht der Rakete rund 3000 Tonnen, so viel wie etwa 500 Afrikanische Elefanten.


Die »Saturn V« (ausgesprochen als »Saturn Five«) wird von fünf mächtigen F-1-Triebwerken ins All gehievt, von denen jedes neun Tonnen wiegt. Auch ihr Preis ist gigantisch, er macht einen erheblichen Teil der »Apollo«-Kosten aus, mit inflationsbereinigt über sechs Milliarden Dollar, von der Größenordnung her vergleichbar mit dem Bau des Panamakanals.


Die gesamte Mondlandung lastete auf den Schultern dieses Raketenriesen, der eine Traglast von 120 Tonnen in den Erdorbit heben kann, vergleichbar mit 20 Afrikanischen Elefanten.


Selbst 50 Jahre später ist die Schubkraft der »Saturn V« immer noch unerreicht.


Die ersten beiden Stufen tragen die »Saturn V«-Rakete in rund 180 Kilometer Höhe. Nachdem sie leergebrannt sind, werden die leeren Stufen abgetrennt, um Gewicht zu sparen, und stürzen in den Atlantik. Weniger als die Hälfte der Rakete verlässt die Erdumlaufbahn. An Bord: Neil Armstrong, Buzz Aldrin und ein dritter Astronaut, der in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, weil er nie den Mond betritt: Michael Collins.


Im Notfall hätte diese Rettungsrakete
(»launch escape system«)
die Astronauten von der
»Saturn V» weggeschleudert
Raketenstufen, die nicht
in die Umlaufbahn eintraten
Die »Saturn V«

Nach anderthalb Umkreisungen der Erde feuert die »Saturn V«-Rakete ein letztes Mal, um die Astronauten in Richtung Mond zu schleudern: »Translunare Injektion« wird diese Spritztour genannt. Die Rakete hat damit ihre Funktion erfüllt. Doch bevor sie ganz zurückbleibt, wird das Raumschiff neu konfiguriert, fast wie ein Falter bei der Verpuppung. Dazu vollführt Michael Collins, der dritte Astronaut an Bord, eine elegante Pirouette mit dem Kommandomodul und zieht das Landemodul namens »Eagle« aus der verbrauchten dritten Stufe:


Mond
Erde
ausgebrannte Raketenstufe
Anzahl der Umlaufbahnen gekürzt

Drei Tage lang reisen die Astronauten nun Richtung Mond, über 380.000 Kilometer Luftlinie (oder wie auch immer man das nennt im Vakuum). Michael Collins lässt das Raumschiff dabei behutsam um die eigene Achse kreisen, damit sich die Gluthitze der Sonnenstrahlung gleichmäßig verteilt. »Barbecue-Manöver« wird diese Rotation genannt, denn sie funktioniert nach dem Prinzip eines Döner-Spießes.


Wer steuert eigentlich das Raumschiff, wurde ein Astronaut einmal gefragt. Nun, meist sitze Sir Isaac Newton am Lenkrad, so die überraschende Antwort. Denn letztendlich folgt das Raumschiff ja einfach den Gesetzen der Gravitation, und irgendwo jenseits von drei Vierteln der Wegstrecke, während die Astronauten schlafen, beginnt das Nachtgestirn, die Traumreisenden in den Bann seiner Schwerkraft zu ziehen: Schneller und schneller stürzen sie nun in Richtung Mond.


letzte ausgebrannte Raketenstufe

»Apollo 11« umkreist den Mond wie ein Satellit. Am 20. Juli trennt sich die Crew: Neil Armstrong und Buzz Aldrin krabbeln in das Landemodul »Eagle« (LM), Michael Collins bleibt allein im Kommandomodul »Columbia« (CM), um weiter den Mond zu umkreisen und auf die Rückkehr seiner Kollegen zu warten.


Die »Eagle« hat am oberen Teil einen Durchmesser von etwas über vier Meter, sie hat keine Flügel, keine Propeller, keine Eleganz, denn im Vakuum zählt all das nicht. Was zählt, ist Leichtigkeit, die Wände sind daher fast so dünn wie Zeltstoff, und die Astronauten müssen stehen, weil Sitze zu schwer wären. Der Adler stürzt in einer Art kontrolliertem Absturz gen Mondoberfläche, da schlägt der Bordcomputer mehrmals Alarm, überlastet von störenden Radardaten. Stürzt der Rechner ab, könnte er auch die Landefähre abschmieren lassen, ein Crash im doppelten Sinn. Muss die Landung abgebrochen werden? Nein, sagt der Flugdirektor aus dem Kontrollzentrum in Houston per Funk: »We are Go!«


Der untere Teil des Landemoduls
dient später als Startplattform und
bleibt auf der Oberfläche stehen.

Der Autopilot steuert die Landefähre an den Rand eines fußballfeldgroßen Kraters. Felsen, groß wie Autos, übersäen die Ebene. Hier zu landen wäre zu gefährlich. Neil Armstrong fliegt halbautomatisch weiter. Durch die kleinen Luken späht er nach einem sicheren Landeplatz. 60 Sekunden Flugzeit bleiben ihm noch, bevor der Treibstoff zur Neige geht, ein Wettrennen gegen die Zeit.


Neil Armstrong übernimmt die halbmanuelle Steuerung der Eagle
Neil Armstrong übernimmt
die halbmanuelle Steuerung
der Eagle
Flughöhe etwa 150 Meter
vom Autopiloten angesteuerte Landezone
vom Autopiloten
angesteuerte Landezone
Felsen
Felsen

Wenige Meter über der Mondoberfläche wirbelt die Schubdüse Mondstaub auf und trübt den Blick auf den Landepunkt, die Fähre driftet hin und her. Der Treibstoff ist fast alle. Noch 30 Sekunden Sprit. Dann setzt der Adler auf im Mare Tranquilitatis, dem Meer der Ruhe, so sanft, dass es die Astronauten kaum bemerken. »The Eagle has landed«, funken sie nach Houston.


DER ACHTE KONTINENT

Über 500 Millionen Menschen verfolgen vor dem Fernseher, wie Buzz Aldrin über den Mond hüpft. Es ist die erste Fernsehübertragung von einem fremden Himmelskörper. Die Videoqualität ist miserabel, mit nur 10 statt der sonst üblichen 30 Bilder pro Sekunde. Die Qualität ist absichtlich gedrosselt, denn über dieselbe Funkverbindung laufen viele andere lebenswichtige Daten.


Die Raumanzüge, bestehend aus 21 Lagen verschiedener Materialen, sind millimetergenau per Hand genäht, aber eigentlich nicht für das wilde Herumtollen gemacht. Die Näherinnen halten vor dem Fernseher die Luft an: Was, wenn Aldrin stolpert und ein Loch in den Raumanzug reißt? »Als er endlich wieder die Leiter hochkletterte und die Luke schloss, war das der glücklichste Moment meines Lebens«, erinnert sich der zuständige Manager Sonny Reihm später. Zurück bleibt die Flagge, arg zerknittert, weil das Gestell beim Aufrichten klemmte.



Astronaut Buzz Aldrin läuft und hüpft auf der Mondoberfläche.


»Magnificent desolation«, so beschrieb Buzz Aldrin seinen Eindruck vom Mond: großartig trostlose Landschaften aus Staub, eine graue, tote Wüste anstatt der erdähnlichen Meere (»Mare«) und Küsten, die dem Mond früher angedichtet worden waren. Vielleicht lag es auch an dieser Ernüchterung, dass die Begeisterung für die Mondlandung geringer war, als viele heute denken. Während des »Apollo«-Programms plädierte die Mehrheit in Umfragen stets dafür, das Budget für die bemannte Raumfahrt lieber zu kürzen zugunsten von Umweltschutz oder Bildung. Auch die Dauer der Fernseh-Sondersendungen ging nach der ersten Mondlandung rapide zurück.






Bis heute sind die Landeplätze von einst fast perfekt so erhalten, wie die Astronauten sie zurückließen. Denn da der Mond keine Atmosphäre hat, können Wind und Wetter den Hinterlassenschaften nichts anhaben. Dazu gehören nicht nur die berühmten Fußspuren von einst, sondern auch diverse Messinstrumente, darunter auch ein Seismometer, welches getreulich die Erschütterungen misst, auch in dem Moment, als die Astronauten ihre Urinbeutel aus der Kapsel schleudern, um vor dem Start Gewicht zu reduzieren: das erste Urinbeben der Welt.


Landeplatz von »Apollo 11«

Sechs bemannte Mondlandungen gelingen, zwölf Menschen betreten dabei das Nachtgestirn, außerdem schaffen es etliche Roboter und Sonden auf den Mond. Am 14. Dezember 1972 verlassen Gene Cernan und Harrison »Jack« Schmitt den Mond. Seitdem hat es niemand mehr dorthin geschafft. Salbungsvoll sprechen sie die offiziellen Worte: »... Wir werden zurückkehren, so Gott will.« Intern dagegen ist der bislang letzte Abschied vom Erdtrabanten prosaischer: »Now, let's get off. Forget the camera!« Vergiss die Kamera, lass uns abhauen.


»Apollo«-Landungen
A12


A14
A15
A16
A11
A17

Eugene Cernan arbeitet während »Apollo 17« am »Lunar Roving Vehicle« (LRV). Am rechten Hinterreifen ist der reparierte Kotflügel zu sehen.

Bei den letzten drei Mondlandungen ist sogar ein Fahrzeug mit an Bord, das »Lunar Roving Vehicle« (LRV), auch »Moon Buggy« genannt. Das Mondauto wiegt nur 210 Kilogramm. Das Tempo hält sich in Grenzen, die Astronauten von »Apollo 17« brauchen für die insgesamt etwas über 35 Kilometer über vier Stunden. Sicherheitshalber entfernen sie sich dabei nie zu weit vom Landemodul, um zur Not auch zu Fuß heimzukommen. Als ein Kotflügel abbricht, droht der aufgewirbelte, kratzige Mondstaub die Raumanzüge und Instrumente zu verschmutzen, daher reparieren sie das Vehikel. Ihr Trick: ein paar Mondkarten, zusammengefrickelt mit Klebeband.


Der Rover der »Apollo 17«-Mission legte
in viereinhalb Stunden etwa 35 Kilometer zurück.
Der Rover der
»Apollo 17«-Mission legte
in viereinhalb Stunden
etwa 35 Kilometer zurück.
»Apollo 17«-Landemodul

»The Dark Side of the Moon«, diese Bezeichnung ist natürlich Quatsch, es sei denn, es geht um das legendäre Album von Pink Floyd von 1973. Denn der Mond wird von allen Seiten beschienen, das wissen Besserwisser. Noch-Besserwisser allerdings widersprechen dem wiederum spitzfindig. Denn der Mond ist mit der Erde in einer »gebundenen Rotation« verbunden und dreht uns stets dieselbe Seite zu. Die abgewandte Seite wird also zwar vom Sonnenlicht erhellt, ist aber weitgehend abgeschirmt von den Funkwellen der Erde - also abgeschattet von störenden Funkwellen. Der Funkschatten auf der Rückseite des Mondes ist perfekt für Radioteleskope geeignet, um ungestört in die Weiten des Weltalls zu lauschen.


Diese wohlige Funkstille ist vielleicht auch einer der Gründe, warum China dort erstmals mit einem Rover gelandet ist. Am 3. Januar 2019 setzte die chinesische Raumsonde »Chang'e 4« im Von-Kármán-Krater auf, ein symbolträchtiger politischer Coup, um die Welt zu beeindrucken. Benannt ist die Mission nach einer Mondgöttin, die dort oben laut einer chinesischen Legende mit einem Kaninchen leben soll. Schon 1969 teilte der Astronaut Michael Collins vor der ersten Mondlandung der Mission Control in Houston mit: »Wir halten Ausschau nach dem Kaninchen-Mädchen.«


Landeplatz des
chinesischen Rovers
»Chang'e 4«
Landeplatz des
chinesischen Rovers
»Chang'e 4«

Ein Krater ist besonders beliebt bei Sternguckern: Tycho, besonders gut auszumachen bei Vollmond, sogar mit bloßem Auge: der helle Fleck unten links. Tycho, benannt nach dem dänischen Astronomen Tycho Brahe (1546-1601), entstand beim explosionsartigen Einschlag eines Asteroiden, hat einen Durchmesser von 85 Kilometer und ist mit nur rund 110 Millionen Jahren relativ jung. Das haben Bodenproben von »Apollo 17« ergeben, über 2000 Kilometer von Tycho entfernt, doch nah genug, um Trümmerspuren vom Einschlag zu finden.


85 km Durchmesser
Tycho-Krater
Tycho-Krater

Bislang landeten Astronauten stets in Äquatornähe des Mondes. Heute dagegen gilt die Aufmerksamkeit vor allem dem Südpol. Denn dieser bietet gleich zwei Vorteile: Licht und Schatten. Einerseits Landschaften, die fast ständig von der Sonne beschienen werden, ohne nächtliche Unterbrechung, teils rund 200 Tage pro Jahr, zum Beispiel in der Nähe des Shackleton-Kraters - perfekt zur Energiegewinnung durch Solarzellen. Doch gleichzeitig gibt es am Mond-Südpol auch schattige Krater-Innenseiten, welche fast ständig im Dunkeln liegen. Sie zählen mit teils Minus 248 Grad Celsius zu den kältesten Orten des Sonnensystems und beherbergen Wassereis, das vielleicht viele Milliarden Jahre alt ist.


vermutetes Wassereis
SPRUNGBRETT ZUM MARS

Schon seit den 1950er-Jahren haben etliche unbemannte Sonden und Roboter den Mond besucht, teils brachten sie sogar Mondgestein zurück zur Erde. Nach dem »Space Race« erlahmte das Interesse. Doch seit den Nullerjahren erleben wir eine erneute Mond-Renaissance, auch Länder wie Indien, Israel und vor allem China wollen sich nun ihren Platz am Himmel sichern.

Bewohnte Mondstationen gehören dabei zu den ambitioniertesten Projekten, so wie dieser Entwurf, vom Architekturbüro Foster + Partners für die europäische Raumfahrtagentur Esa entwickelt.



Künstlerische Darstellung einer Mondstation.


Das Mondgestein (Regolith) könnte als Baustoff dienen, um mit 3D-Druckern Gebäude zu errichten. Roboter könnten als Vorhut eine Basis vorbereiten, die dann später von Astronauten ausgebaut wird, bis hin zu einem »Moon village«, einem zumindest zeitweilig bewohnten Monddorf.


Bis 2024 will die Nasa erneut mit Astronauten auf dem Mond landen. Neben Kälte, Vakuum und dem Einschlag von Mikrometeoriten stellt dabei die kosmische Strahlung eine Herausforderung dar, weil sie den menschlichen Körper schädigen könnte. Daher könnte es klug sein, das Monddorf zumindest teilweise mit schützendem Mondgestein zu überdecken.


Eine Vision: Die künftigen Monddörfler könnten am Südpol mithilfe von Wassereis und Solarenergie außerirdischen Raketenstreibstoff herstellen, wie eine kosmische Tankstelle als Zwischenstopp zum Mars.


Skeptiker allerdings verweisen auf die hohen Kosten und vermuten, dass derlei Missionen ganz gut ohne Astronauten auskommen und dass Roboter einfach die besseren Raumfahrer sind.







Wie auch immer dies Abenteuer weitergeht: Dass derlei Diskussionen nicht mehr nur im Reich fantastischer Romane stattfinden, verdankt die Menschheit auch den rund 400.000 Mitarbeitern der »Apollo«-Mission, den Astronauten und Mathematikerinnen, den Ingenieuren und Programmiererinnen.


Die Mondlandung war zwar damals bei vielen unpopulär. Rückblickend aber kann sie als Kulturdenkmal gelten, vergleichbar mit Pyramiden oder Kathedralen, gleichzeitig flüchtig wie ein Theaterstück im All. Eine außerirdisch große Leistung, die alles übertrifft, was sich der fiktive Kanonenklub von Baltimore 1865 nur hätte erträumen können von seiner 270 Meter langen Haubitze. Ein medialer Rums, dessen Echo bis heute nachhallt.


DAS TEAM


Autoren: Ludger Bollen, Max Heber, Ferdinand Kuchlmayr, Hilmar Schmundt

Programmierung: Chris Kurt

Grafiken: Ludger Bollen, Ferdinand Kuchlmayr

3D-Animation: Max Heber

Datenaufbereitung: Patrick Stotz

Dokumentation: Maximilian Schäfer

Schlussredaktion: Katrin Zabel

Redaktion: Jens Radü




Quellen:

Landeprofil: Andrew Chaikin; John Knoll; Michael Marcus

Satellitenaufnahmen: Michael Marcus; Ernest T. Wright; Nasa/GSFC/Arizona State University; Applied Coherent Technology Corporation

Jules Verne: »Von der Erde zum Mond«, Nasa-Archiv, Michael J. Neufeld: »Wernher von Braun: Visionär des Weltraums - Ingenieur des Krieges«, Michael Collins: »Carrying the Fire: An Astronaut's Journeys«, David Mindell: »Digital Apollo: Human and Machine in Spaceflight«, Bob Berman: »Strange Universe: The Weird and Wild Science of Everyday Live - on Earth and Beyond«, Charles Fishman: »One Giant Leap: The Impossible Mission That Flew Us to the Moon«, Nasa: Apollo 11 Spacelog, Roger D. Launius: »Apollo: A Retrospective Analysis«, Roger D. Launius: »Apollo's Legacy: Perspectives on the Moon Landings«, Nicholas de Monchaux: »Spacesuit: Fashioning Apollo«, Don Eyles: »Sunburst and Luminary: An Apollo Memoir«, Elizabeth Gibney: »How to build a Moon base«, Nature 562, 474-478 (2018)


Bilder: Chesley Bonestell; ESA/Foster + Partners; John F. Kennedy Library and Museum; Nasa/APPEL; Nasa/Goddard Space Flight Center; Nasa/Johnson Space Center; Nasa/Nasa TV; Star-Film